Unter Adipositas (Fettleibigkeit) versteht man krankhaftes Übergewicht. Der Grund für Übergewicht liegt in unserem Energiehaushalt. Die täglich aufgenommene Nahrungsenergie benötigt der Körper für die Aufrechterhaltung seiner Funktionen (Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel) und die Muskelarbeit. Ist die Energieaufnahme höher als der Energieverbrauch, speichert der Körper die überschüssige Energie in Form von Depotfett. Dadurch steigt das Körpergewicht an – man spricht von alimentärer Adipositas.
Was ist der Unterschied zwischen Adipositas und Übergewicht? Was für Folgen hat Adipositas? Und wie kann es gelingen abzunehmen? Antworten auf diese und andere Fragen rund um das Thema Adipositas erhalten Sie im folgenden Video. Zusätzlich können Sie Ihr Wissen mit dem Fact Sheet vertiefen.
[Film zur Erkrankung]
Ein idealer Body-Mass-Index (BMI) liegt zwischen 20 und 25kg/m². Ein BMI zwischen 25 und 30kg/m² bedeutet Übergewicht. Liegt ein BMI über 30kg/m² bezeichnet man dies als adipös oder Adipositas Grad I. Bereits ab diesem BMI steigt das Risiko von weiteren Erkrankungen zusätzlich. Ab einem BMI von über 40kg/m² (Adipositas Grad III) steigt die Sterblichkeit gegenüber einem normalgewichtigen Menschen (BMI 20 – 25kg/m²) deutlich an.
BMI Einordnung
Weltweit zeigt sich seit mehreren Jahrzehnten eine steigende Prävalenz der Adipositas. Für das Jahr 2025 wird eine Prävalenz von knapp 20 % prognostiziert. Gemäß einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes von 2019 sind 61 % der männlichen und 47 % der weiblichen Bevölkerung übergewichtig. Neben der insgesamt steigenden Prävalenz der Adipositas sinkt auch das Erkrankungsalter sukzessive, sodass übermäßiges Körpergewicht - der Arbeitsgemeinschaft für Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Adipositasgesellschaft (DAG) nach - heute die häufigste ernährungsabhängige Gesundheitsstörung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland darstellt. Dem aktuellen Bericht der WHO im Rahmen der „Childhood Obesity Surveillance Initiative“ (COSI) zufolge leiden nahezu 30 % der Kinder in Europa an Übergewicht oder Adipositas.
Aus der stetig steigenden Prävalenz der Adipositas und der damit einhergehend ebenfalls steigenden Prävalenz der assoziierten Komorbiditäten resultiert eine zunehmende Belastung des Gesundheitssystems.
Ursprünglich diente das Depotfett dem Körper in schlechten Zeiten als Energiespeicher. Die heutigen westlichen Essgewohnheiten jedoch begünstigen eine schnelle Kalorienaufnahme in kurzer Zeit. Zu große und zu viele Mahlzeiten, Fast Food, fettreiche Lebensmittel, süße Erfrischungsgetränke und Süßigkeiten führen zu einer zu hohen Energieaufnahme.
Zudem sinkt der tägliche Energieverbrauch. Körperliche Bewegung im Alltag nimmt immer mehr ab: vorwiegend sitzende berufliche Tätigkeiten, Fahrten mit dem Auto und die vielen kleinen Bequemlichkeiten, die das moderne Leben mit sich bringt. Rolltreppen, Aufzüge und kurze Wege oder Freizeitbeschäftigungen wie der Fernseher oder der Computer sorgen für einen bewegungsarmen Alltag.
Dieses Zuviel an Nahrungsenergie und das Zuwenig an Bewegung führen zu einer Gewichtszunahme. Im Laufe der Jahre sammelt sich so Kilo für Kilo auf den Hüften und am Bauch an. Der Körper kennt für diese Prozesse keine Stopp-Taste. Im Laufe der Zeit entwickelt sich Übergewicht bis hin zur Adipositas mit ihren Begleiterkrankungen. Aber auch eine genetische Veränderung, verschiedene Erkrankungen oder Medikamente können zu Übergewicht führen.
Je höher das Übergewicht ist, desto höher ist auch das Risiko für gesundheitliche Probleme. Bereits bestehende Krankheiten verstärken sich durch die Adipositas. Das starke Übergewicht verringert die Mobilität – obwohl mehr Bewegung gerade das Richtige wäre, um das Übergewicht zu reduzieren.
Adipositas kann zu Folgeerkrankungen wie etwa Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Arthrose, einer nicht alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), Nierenerkrankungen, Hyperlipidämien und zu einer Hyperurikämie führen. Auch treten bei Patienten mit einer Adipositas gehäuft eine gastroösophageale Refluxerkrankung, Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems oder ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) auf.
Extremes Übergewicht führt auch zu einem erhöhten Risiko an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Wer sein Gewicht drastisch reduziert, kann sein persönliches Gesundheitsrisiko erheblich senken und damit seine Lebenserwartung deutlich steigern. Eine der häufigsten Begleiterkrankungen der Adipositas ist der Diabetes mellitus Typ 2, der sich oftmals allein durch eine Gewichtsreduktion regulieren lässt.
Ein hohes Körpergewicht kann einen massiven Einfluss auf das körperliche und seelische Wohlbefinden ausüben. Dinge, die für Nicht-Betroffene mühelos zu bewältigen sind, können zur Qual werden, z.B. Treppen steigen, Schuhe zubinden oder einfach nachts erholsam schlafen. Die Öffentlichkeit ist für schwergewichtige Menschen meist nicht genügend ausgerüstet. Autos sind zu eng, Stühle sind zu schmal und das Angebot an modischen und attraktiven Kleidungsstücken ist begrenzt. Zudem herrscht gesellschaftlich das Idealbild von Schlankheit und Makellosigkeit. Dies alles kann dazu führen, dass Adipöse sich häufig ausgegrenzt und isoliert fühlen. Das vermeintliche Unvermögen sein Gewicht nicht selbst reduzieren zu können und schwach und zügellos zu sein, führt fast unweigerlich zu einem schwindenden Selbstbewusstsein. Adipöse stehen oft unterschwelliger Ablehnung und Ausgrenzung gegenüber, was zum sozialen Rückzug beitragen und damit die Probleme verstärken kann. Kinder sind diesem Kreislauf meist noch hilfloser ausgesetzt als Erwachsene.
Medikamente zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas können in Kombination mit einer Lebensstilveränderung zu einer Gewichtsreduktion und Verbesserung von Begleiterkrankungen beitragen. Eingesetzt werden sollten nur Medikamente, deren Effektivität und Sicherheit in großen klinischen Studien belegt ist. In Deutschland sind aktuell Orlistat, Liraglutid, Semaglutid und Tirzepatide zur Behandlung von Adipositas zugelassen. Das Präparat Setmelanotid kommt nur bei bestimmten Formen der Adipositas in Frage, die auf eine definierte Genmutation beruhen. Aktuell werden die Kosten der medikamentösen Therapie von den Krankenkassen nicht übernommen.
Endoskopische Verfahren zur Behandlung von krankhaftem Übergewicht und Diabetes sind in Deutschland bisher nicht sehr verbreitet. In den USA und anderen europäischen Ländern werden sie hingegen deutlich häufiger angewandt.
So stellt der endoskopisch angelegte Schlauchmagen für ausgewählte Patient:innen eine interessante und wenig invasive Therapieoption dar. Der Eingriff erfolgt im Rahmen einer Magenspiegelung. Es handelt sich also nicht um eine Operation und es entstehen weder Narben noch werden Magenanteile entfernt. Stattdessen wird die Magenwand endoskopisch von innen mittels spezieller Nähte zusammengerafft und so das Magenvolumen verkleinert. Wie beim chirurgischen Schlauchmagen kann der nun kleinere Magen nicht mehr so viel Nahrung wie vorher aufnehmen und das Sättigungsgefühl tritt schneller ein. Es handelt sich um ein sicheres und schonendes Verfahren und eine Entlassung ist 1-2 Tage nach dem Eingriff möglich.
Im Gegensatz zum chirurgischen Schlauchmagen ist die Gewichtsabnahme aber geringer ausgeprägt. Der endoskopische Schlauchmagen ist daher nicht für Patient:innen mit sehr hohem Übergewicht geeignet, sondern eher für solche mit moderatem Übergewicht, oder Patient:innen, die keine Operation wünschen oder ein sehr hohes OP-Risiko aufweisen. Wie die chirurgischen Verfahren ist der endoskopische Eingriff nur ein Baustein in der Behandlung des Übergewichts. Da es sich um ein neues Verfahren handelt, werden die Kosten hierfür momentan nicht von den Krankenkassen übernommen, sondern müssen selbst getragen werden.
Adipositas ist eine seit 1987 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte Krankheit. Um Folgeerkrankungen durch starkes Übergewicht zu vermeiden, werden die Kosten für chirurgische Behandlungen von den Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen übernommen.
Das Ziel der Adipositas-Chirurgie: durch einen operativen Eingriff wird die Nahrungsaufnahme beeinflusst, sodass eine negative Energiebilanz erzeugt werden kann. Auch kommt es zur Umstellung im Hormonhaushalt, der das Hunger- und Sättigungsgefühl beeinflusst.
Durch die Adipositas-Operation können die Betroffenen weniger essen – und trotz der kleineren Nahrungsmenge ein Sättigungsgefühl und Wohlbefinden erlangen. Eine Adipositas-Operation ist ein Hilfsmittel, um das Abnehmen zu erleichtern. Bei besonders schweren Krankheitsverläufen kann eine direkte Operationsnotwendigkeit bestehen. Dies wird im Rahmen der kontinuierlich interdisziplinären Betreuung von dem Expertenteam geprüft.
Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei verschiedenen Operationsprinzipien:
Die beiden in Deutschland häufigsten Verfahren sind:
Sleeve-Gastrektomie: Durch eine Verkleinerung des Magens, dem ersten Speicher für Nahrung, kommt es zu einer Verringerung der Mahlzeitengröße, da der Magen weniger Nahrung speichern kann. Bereits nach kleineren Nahrungsmengen ist der Magen voll und wird gedehnt, was ein Sättigungsgefühl auslöst.
Magenbypass: Durch die Verringerung der effektiven Aufnahmefläche des Dünndarms, der durch einen Bypass teilweise umgangen wird, reduziert sich auch die Aufnahmefähigkeit des Verdauungssystems. Da der Dünndarm nach dem Bypass weniger Fläche zur Verdauung zur Verfügung hat, wird weniger Energie vom Darm aufgenommen. Dies kann auch durch eine spätere Zuleitung von den Verdauungssäften (Galle, Bauchspeichel) zum Nahrungsbrei in den Darm erreicht werden, da hierbei die enzymatische Aufspaltung erst verspätet erfolgt und Nahrungsbestandteile nur in geringerem Ausmaß aufgenommen werden
Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass diese (in unterschiedlicher Ausprägung) Einfluss auf wichtige Hormone des Körpers haben, welche das den Gewichtsverlauf und das Hunger- und Sättigungsgefühl positiv beeinflussen können.
Unabhängig vom Therapieverfahren hängt der Erfolg wesentlich von der engen, langfristigen Mitarbeit der Patient:innen ab, wozu auch eine kontinuierliche Nachbetreuung gehört. Voraussetzung für ein erfolgreiches, dauerhaftes Abnehmen ist eine dauerhafte Ernährungsumstellung und gleichzeitig eine sportliche Betätigung – beispielsweise durch Schwimmen, Fahrradfahren, Walking, ein Training im Fitnessstudio. Für eine nachhaltige Gewichtsabnahme müssen zusätzlich bisherige Lebensgewohnheiten verändert, d.h. die Ernährung angepasst und die körperliche Aktivität gesteigert werden.
Prof. Dr. med. Oliver Mann
Chirurgischer Leiter des Universitären Adipositas-Centrums
Prof. Dr. med. Jens Aberle
Internistischer Leiter des Universitären Adipositas-Centrums
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Prof. Dr. med. Oliver Mann ist Stellvertretender Klinikdirektor der Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie. Zudem ist er Chirurgischer Leiter des Adipositas-Centrums.
Prof. Dr. med. Jens Aberle ist Ärztlicher Leiter des Ambulanzzentrum des UKE GmbH, Fachbereich Endokrinologie, Diabetologie, Adipositas und Lipide. Zudem ist er Internistischer Leiter des Adipositas-Centrums.
Zugang nur für Studierende und Mitarbeiter:innen des UKEs
In aktuellen Studien werden Einflussfaktoren auf das postoperative Outcome hinsichtlich Gewichtsverlust und Adipositas-assoziierten Komorbiditäten systematisch untersucht. Dazu gehören neben dem Ausgangsgewicht und der Dauer der Adipositas auch das Alter des/der Patient:in, bereits bestehende Begleiterkrankungen und der sozioökonomische Status.
Auch der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den postoperativen Gewichtsverlust und die Lebensqualität der Patient:innen sowie geschlechtsspezifische Unterschiede sind Gegenstand der aktuellen Forschung. Epigenetische Mechanismen sind ebenso Gegenstand aktueller Studien im Bereich der Entwicklung des Typ 2 Diabetes mellitus in Kooperation mit anderen Universitätskliniken, wie die Identifizierung von prädiktiven Markern.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt im Rahmen klinischer Studien ist der Einsatz von GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) Agonisten in der Behandlung der Adipositas. Auch im Rahmen von Patient:innen, bei welchen trotz Operation der Gewichtsverlauf, sowie die Beeinflussung der Begleiterkrankungen nicht ausreichend therapiert ist.
Darüber hinaus gibt es experimentelle Forschungsaktivitäten zu den zellulären und molekularen Mechanismen der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) und des Fettgewebes.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf bilden die verschiedenen Arten von Fettgewebe einen weiteren großen Forschungsschwerpunkt.
Daneben sind Entzündung und Immunsystem wichtige aktuelle Forschungsfelder, ebenso wie das Mikrobiom, da Darmbakterien und deren Beeinflussung durch verschiedene chirurgische Verfahren eine noch ungeklärte Rolle im Rahmen der Adipositas-Erkrankung spielen.
Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Sonderforschungsbereich (SFB) / Transregio TRR 333 Brown and Beige Fat - Organ Crosstalk, Signaling and Energetics (BATenergy) untersucht den Stoffwechsel sowie die Regulation des braunen Fettgewebes im Kontext von Adipositas und Diabetes.
Im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wird ein spezieller Forschungsbereich für Nachwuchswissenschaftler:innen zu reproduktiver Gesundheit eingerichtet. Ziel des interdisziplinären UKE-Nachwuchszentrums ist es, die negativen Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas auf die reproduktive und sexuelle Gesundheit zu verringern und die medizinische Versorgung sowie Forschung in diesem Feld zu verbessern.
Um die Gesundheitsrisiken zu senken und eine nachhaltige Gewichtsreduktion zu schaffen, wurde ein multimodales Konzept aus Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und psychosomatischer Mitbehandlung entwickelt – für einen Weg aus der Adipositas.
Dieser ganzheitliche Ansatz bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen Ernährungsmediziner:innen, psychosomatisch tätigen Ärzt:innen und Psycholog:innen, Ernährungs- und Bewegungstherapeut:innen – und der Mitwirkung der Patientinnen und Patienten.
Die drei Bestandteile des Konzepts – Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und psychosomatischer Mitbehandlung – bestehen zum einen aus Gruppen- und Teamsitzungen, zum anderen aus Einzelgesprächen. Das Programm dauert mindestens ein halbes Jahr. Es richtet sich nach den anerkannten Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und anderer medizinischen Fachgesellschaften (wie z.B. Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) und der Krankenkassen.
Im Adipositas Dentrum im UKE spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche eine bedeutende Rolle. Vertreten sind hier unter anderem die Fachrichtungen Chirurgie, Endokrinologie, Psychosomatik, Endoskopie, Ernährungsmedizin und Physiotherapie.