Spurensucherin aus Haifa


Für ein Jahr als Gastwissenschaftlerin nach Hamburg – so war der Plan, als Prof. Dr. Meytal Landau aus Israel 2019 ans Zentrum für Strukturelle Systembiologie (CSSB) ging. Doch dann verliebt sie sich in die Stadt – und
tritt 2023 eine feste Position am CSSB an, diesmal mit einer W3-Professur des UKE. Ihre Forschung konzentriert sich auf Amyloide – eine besondere Gruppe von Proteinfasern, die stark verdächtig sind, an der Entstehung von Alzheimer beteiligt zu sein.

Text: Nicole Sénégas-Wulf; Foto: Axel Kirchhof

Meytal Landau trifft Entscheidungen gern aus dem Bauch heraus. Auch nachhaltige, wie die, von Haifa nach Hamburg zu ziehen. „Ich versuche, mir nicht allzu viel den Kopf zu zerbrechen, wenn ich etwas tun möchte. Ich tue es einfach“, sagt die Wissenschaftlerin, die bereits an Universitäten in Tel Aviv, Jerusalem und Los Angeles geforscht hat. Als sich ihr die Chance auf eine Position als leitende Wissenschaftlerin mit UKE-Professur am DESY in Bahrenfeld bietet, zögert sie nicht lange und kommt im Sommer 2023 mit ihrer Tochter an die Elbe. Lediglich die deutsche Bürokratie beschert ihr anfangs Kopfzerbrechen. „Wenn man zur Eröffnung eines Bankkontos ein Telefon benötigt, für das Telefon aber wiederum ein gültiges Bankkonto und ohne Bankkonto auch keinen Mietvertrag unterschreiben kann, entsteht irgendwann ein Knoten im Kopf“, erzählt sie lachend.

Als Jugendliche erkrankt Meytal Landau an Leukämie

Glücklicherweise hat die 47-Jährige ein Faible für knifflige Rätsel – besonders für die biologisch-medizinischen, wie die Wirkung von Medikamenten auf den Körper. „Das hat sicher auch mit meiner persönlichen Geschichte zu tun“, verrät die Wissenschaftlerin. Mit 15 erkrankt sie an Leukämie und verbringt ihre gesamte Highschoolzeit im Krankenhaus. „Während meiner zweijährigen Chemotherapie löcherte ich die Ärzte mit Fragen. Ich wollte meine Behandlung verstehen, stieß aber an Grenzen, weil mein Wissen noch nicht ausreichte.“ Meytal Landau wird wieder gesund, doch die intensive Therapie zerstört ihre linke Schulter und beide Hüften. „Selbstständig gehen konnte ich erst wieder, nachdem mir künstliche Gelenke implantiert worden waren.“ Danach startet sie durch – zunächst mit einem Pharmakologie-Studium in Jerusalem, bei dem sie sich in einem Wahlkurs unsterblich in Proteine verliebt. „Ich war so fasziniert von ihren einzigartigen Strukturen, dass ich anschließend einen Master in Neurobiologie machte und promovierte“, so die Forscherin.

Dabei folgt sie keinem großen Karriereplan. Was Landau antreibt, ist ihre Suche nach Antworten, die sie 2023 ans CSSB auf den DESY-Campus nach Hamburg führt. „Hier finde ich beste Bedingungen für meine Arbeit.“ Seit mehreren Jahren erforscht sie Amyloide – Strukturen, bei denen Proteine zu stabilen Fasern verkleben, die sich unter anderem als Biofilme in Bakterienkulturen wiederfinden. Auch mit der Alzheimer-Krankheit werden Amyloide in Verbindung gebracht. „Man hat sie in den Hirnzellen von Patient:innen entdeckt, wo sie sogenannte Plaques bilden. Überraschend ist, dass zwischen der Menge dieser Proteinablagerungen und den gezeigten Symptomen kein Zusammenhang zu bestehen scheint.“ Auch dieser Frage will die Forscherin bei DESY auf die Spur kommen. „Dank mehrerer Hochleistungsmikroskope und der Petra III Röntgenquelle direkt hier auf dem Campus lässt sich die Gestalt von Amyloiden präzise enträtseln“, schwärmt die Wissenschaftlerin, die durch verschiedene Kooperationen eng mit dem UKE verbunden ist. In der Alzheimer-Forschung beispielsweise arbeitet ihre Gruppe mit Gehirnproben aus der Klinik für Neurologie. Mit dem Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene forscht sie zum Thema Antibiotikaresistenz bei Staphylokokkus-Bakterien. „Im CSSB nähern wir uns den Problemen von struktureller Seite, während sich das UKE auf die genetische und klinische Arbeit konzentriert. So ergänzen wir uns perfekt.“

Wissenschaftlicher Nachwuchs liegt ihr am Herzen

Was Meytal Landau an ihrem neuen Arbeitsumfeld sehr schätzt, ist ihr Team. „Eine super-engagierte Gruppe aus elf Wissenschaftler:innen, darunter viele Post-Docs und PhD-Studierende, die sich alle füreinander und für ihre jeweiligen Projekte einsetzen“, erzählt sie enthusiastisch. Besonders am Herzen liegt ihr die Weiterentwicklung von Nachwuchswissenschaftler:innen. „Mentoring ist mir total wichtig. Ich freue mich, diese jungen Menschen wachsen zu sehen und sie darin zu begleiten, ihren eigenen Weg in der Wissenschaft zu finden.“

Welchen Spuren die Biochemikerin außerhalb ihres Labors schon gefolgt ist? „Oh, ganz verschiedenen“, lacht sie. „Mal bin ich Partylöwin und genieße das Nachtleben in der Schanze, mal Naturfreundin und schlendere durch die Hamburger Parks. Für mich bietet die Stadt die perfekte Mischung, alle Seiten meiner Persönlichkeit auszuleben.“ In stilleren Momenten nimmt Meytal Landau gern ein Buch zur Hand, am liebsten zu philosophischen oder historischen Themen. Wie eine Spurensucherin auf der Jagd nach Antworten – auch auf die tiefsten Fragen des Lebens.