Ausgefragt?! – Mangelernährung – spezialisierte Therapiemöglichkeiten


Dr. med. Geraldine de Heer

Klinik für Intensivmedizin

Universitäres Centrum für Ernährungsmedizin

Der weltweite „Nutrition Day“ macht auf die Problematik von Mangelernährung bei stationär behandelten Patient:innen aufmerksam. Dr. Geraldine de Heer, Stellvertretende Direktorin der Klinik für Intensivmedizin und Ärztliche Leiterin des Universitären Centrums für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), weiß, wie Betroffenen am besten geholfen werden kann.

  • Mein Name ist Geraldine de Heer. Ich bin stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Intensivmedizin und Leiterin des Universitären Centrums für Ernährungsmedizin im UKE.

    Frau Dr. de Heer, worauf weist uns der „Nutrition Day“ am 14. November hin?

    Nutrition Day ist eine internationale Aktion, bei der wir für Ernährung von Patient:innen und Mangelernährung sensibilisiert werden sollen.

    Warum wurde das Universitäre Centrum für Ernährungsmedizin am UKE gegründet?

    Wir haben im UKE an verschiedenen Stellen hochkompetente Ernährungstherapeuten und -therapeutinnen. Und das Centrum wurde gegründet, damit wir uns vernetzen können, damit wir diese Kompetenzen zusammenführen können und damit wir Ernährungstherapie sichtbarer und stärker machen können. Wer ist von Mangelernährung betroffen? Mangelernährung ist ein komplexes Problem, das häufig unterschätzt wird. Von Mangelernährung können sehr viele Menschen betroffen sein. Das sind vor allen Dingen alte Menschen. Das sind sehr häufig Menschen mit chronischen Erkrankungen, Krebserkrankungen. Und hier können es Erwachsene und auch Kinder sein. Menschen, die sozial isoliert sind, die sich vielleicht eine gesunde Ernährung nicht leisten können. All diese Menschen können von Mangelernährung betroffen sein.

    Was sind die häufigsten gesundheitlichen Probleme, die sich aus Mangelernährung ergeben?

    Was wir wissen, ist, dass Mangelernährung das Immunsystem schwächt und wir deswegen gehäuft infektiöse Komplikationen bei unseren Patient:innen sehen, Wundheilungsstörungen, aber im Wesentlichen ist Mangelernährung vergesellschaftet mit einer Verminderung der Muskelmasse und vor allen Dingen auch Verminderung der Muskelkraft, was dazu führt, dass Muskeln da, wo sie gebraucht werden, nicht eingesetzt werden können. Das heißt, Menschen sind weniger beweglich, sie sind weniger in der Lage, sich selbst zu versorgen oder können gar gar nicht mehr richtig atmen.

    Wie behandeln Sie Patient:innen bei einer ernährungsmedizinischen Therapie?

    Wir machen das im Grunde genommen so, wie wir das bei anderen Therapien auch machen. Wir schauen uns die Patientinnen und Patienten an und schauen, was sie brauchen, worunter sie leiden. Dann erheben wir einmal, was sie brauchen, welche Nährstoffe sie brauchen, welche Makronährstoffe, welche Mikronährstoffe erforderlich sind, welche Kalorien. Und dann machen wir einen Plan und überlegen, wie wir das den Patienten und Patientinnen zukommen lassen können, ob wir besondere Nahrungsmittel verwenden oder ob wir eben auch eine künstliche Ernährung einsetzen müssen.

    Welche gesellschaftliche Entwicklung würden Sie sich aus ernährungsmedizinischer Perspektive wünschen?

    Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Aufklärungsarbeit für die Ernährung für Menschen in unserer Gesellschaft machen von klein auf, in Schulen, in Kindertagesstätten. Dass die Bedeutung von Ernährung für jedermann klar ist. Ich würde mir wünschen, dass insbesondere auch für alle möglich ist, sich gesund zu ernähren, dass hier keine finanziellen Schwierigkeiten entstehen, dass Nahrungsmittel, gute, gesunde Nahrungsmittel eben auch bezahlbar sind. Und ich würde mir insbesondere für unsere klinische Tätigkeit wünschen, dass der Fokus darauf liegt, dass wir ernährungsmedizinische Probleme erkennen, dass wir unsere Patient:innen hinsichtlich ihres Ernährungsstatus untersuchen, dass wir sie screenen und sie möglichst schnell einer Ernährungstherapie zuführen.

    Haben Sie noch eine Botschaft für uns?

    Das Wichtigste, was wir machen können für unsere Patientinnen und Patienten, ist, dass wir ihre ernährungsmedizinischen Probleme, Mangelernährung, das Risiko für Mangelernährung frühzeitig erkennen und frühzeitig therapieren. Dafür müssen wir darauf achten, müssen daran denken und müssen diese Patient:innen schnell den Profis zuführen. Machen Sie sich bewusst, wie wichtig Ernährung – Ihre Ernährung – für Sie selbst ist, für Ihr Leben, Ihre Gesundheit, Ihr Wohlbefinden und das Ihrer Familie.