Vom Hörsaal in die Geburtshilfe
Anfang des Jahres schloss Kathrin Winkler gemeinsam mit 47 weiteren Absolvent:innen des ersten Jahrgangs das duale Bachelor-Studium Hebammenwissenschaft ab. Im Kreißsaal des UKE hat die 39-Jährige nun ihren Traumberuf gefunden.
Ruhig und mit geübten Griffen tasten ihre Hände den Bauch der werdenden Mutter ab. Mit dem Pinard-Rohr ortet sie die Herztöne des Kindes, bestimmt die Lage der „kleinen Teile“, wie sie sagt – der Hände und Füße. „Die Frage, wo sich der kindliche Rücken befindet, hat große Auswirkungen auf den Verlauf der Geburt“, erläutert Kathrin Winkler. Dass sie den Beruf erst seit wenigen Monaten ausübt, merkt man ihrer routinierten Tätigkeit nicht an. Nachdem sie selbst Kinder bekommen hatte, entschied sich Kathrin Winkler nach Jobs in der Personalentwicklung und im Einzelhandel zu einem Berufswechsel. Im Kreißsaal arbeitet sie mit drei weiteren Kolleginnen pro Schicht, das Team ist rund um die Uhr besetzt. „Wir können uns austauschen, unterstützen und gemeinsam interprofessionell die Gebärenden betreuen“, erklärt die Geburtshelferin.
Plötzlich wird es laut im Flur, bei einer werdenden Mutter haben die Geburtswehen eingesetzt. Winkler beendet die Voruntersuchung bei der Schwangeren und begleitet die Frau mit dem akut einsetzenden Geburtsvorgang ins CTG, wo die Herzschlagfrequenz des Kindes und die Wehentätigkeit der Mutter festgestellt werden. „Ihr Kind wird gleich auf die Welt kommen“, erklärt die Hebamme Ihre Arbeitsbedingungen mit 70 Prozent in Teilzeit kommen ihr bei ihrer Alltagsorganisation entgegen. „So kann ich genügend Zeit mit meinen Kindern verbringen – die Älteste ist neun, die Kleinste drei.“ Auf dem Nachhauseweg hört die Hebamme Hörbücher. Allerdings bekomme sie häufig nur die Hälfte mit. „Ich denke noch viel über das Geschehene nach“, so Winkler. „Mitunter fange ich am nächsten Tag einfach wieder mit demselben Kapitel an.“ der stöhnenden Frau und ihrem Mann. Kaum 90 Minuten später ist Thilo auf der Welt und wird seiner Mutter auf die Brust gelegt.
Geburt bewusst erleben
„Mir geht es gut, aber ich habe noch nie so geschrien wie eben“, sagt die glückliche Lea kurze Zeit danach noch im Kreißsaal. Sie freut sich unbändig, dass sie dieses Mal eine bewusste Geburt erleben durfte, „Thilos Bruder ist in einer anderen Klinik per Not-Kaiserschnitt auf die Welt gekommen.“ Von der Entbindung mit Kathrin Winkler im UKE ist sie begeistert: „Die klaren Anweisungen haben mir sehr geholfen, sie hat jeweils rechtzeitig angekündigt, was als Nächstes gemacht werden muss und immer wieder gefragt, was ich möchte.“ Thilos Vater Tobias, der bei der Geburt die Nabelschnur durchschneiden durfte, drückt sein Baby vorsichtig an den Oberkörper. Kathrin Winkler zeigt beiden, wie sie ihren neugeborenen Sohn am besten halten – mit so viel Hautkontakt wie möglich. Bevor sie die U1-Untersuchung vornimmt, bei der sie schaut, ob alle Körperteile bei dem Neugeborenen vorhanden sind, bringt sie eine frischgebackene Familie aus dem Kreißsaal nebenan in ein Familienzimmer des Pränatalzentrums. Auch Laura und Konstantin sind überglücklich über ihren neugeborenen Sohn Henry, aber auch sehr erschöpft. „Wir sind seit gestern Morgen im UKE und nun viele Stunden im Kreißsaal gewesen“, sagt Laura. „Mehrere Ärzte haben sich darum gekümmert, meine starken Schmerzen zu lindern.“ Als ihr Henry schließlich in den Arm gelegt wurde, habe sie alles Vorherige vergessen. Während der langen Zeit ihrer Wehen musste sie mehrmals von den Hebammen in die nächste Schicht übergeben werden. „Jedes Mal habe ich überlegt: Muss ich jetzt alles noch mal erzählen, mit Allergien und Rhesusfaktor? Aber sie waren immer bestens informiert und haben mir unglaublich geholfen“, freut sich die Mutter. „Die Betreuung hätte nicht besser sein können.“
Ein ganz besonderer Moment
„Das war eine sehr schöne Geburt“, strahlt Hebamme Kathrin Winkler, als sie auch Laura, Konstantin und den kleinen Henry in ein Familienzimmer bringt, „es ist immer ein ganz besonderer Moment, wenn ein Baby auf die Welt kommt.“ Am Computer dokumentiert sie die Geburtsvorgänge. „Ich würde die Hebammenarbeit gern auch wissenschaftlich beforschen, meine Erfahrungen aus dem Studium einbringen“, sagt sie. „Für vieles an unserer Tätigkeit gibt es bisher keine final gesicherten Ergebnisse, etwa zu fötaler Überwachung.“
Ihre Arbeitsbedingungen mit 70 Prozent in Teilzeit kommen ihr bei ihrer Alltagsorganisation entgegen. „So kann ich genügend Zeit mit meinen Kindern verbringen – die Älteste ist neun, die Kleinste drei.“ Auf dem Nachhauseweg hört die Hebamme Hörbücher. Allerdings bekomme sie häufig nur die Hälfte mit. „Ich denke noch viel über das Geschehene nach“, so Winkler. „Mitunter fange ich am nächsten Tag einfach wieder mit demselben Kapitel an.“