Wieder Vertrauen fassen
Kaum eine Krebsart ist so weit verbreitet wie Brustkrebs. Als Stefanie Jentz und Daria Hoffmann die Diagnose während der Coronakrise traf, schlugen die starken Frauen mehrjährige Therapiewege ein – an deren Ende ein neues Bewusstsein für sich und andere steht.
Die schlechte Nachricht kam im Juni 2021– unvergessen auch, da Hitze und Unwetter draußen widerzuspiegeln schienen, was Daria Hoffmann tief in ihrem Inneren fühlte: Stürme entwurzelten Bäume, die Diagnose Brustkrebs riss Daria Hoffmann den Boden unter den Füßen weg. „Ich bat meinen Mann, von der Arbeit nach Hause zu kommen, er setzte sich auf den Boden und weinte wie ein Kind“, erinnert sie sich, „das war sehr schwer für mich.“ Die größte Herausforderung aber sei der Austausch mit ihren Kindern gewesen. „Mein Sohn flehte: ,Mama, ich habe Angst, dass dir etwas passiert‘ “, so Hoffmann. „Und obwohl ich meine Beine nicht mehr spürte, versuchte ich, aufrecht für meine Kinder zu bleiben, ihnen die sehr guten Heilungschancen bei Brustkrebs zu versichern.“
Wieder Vertrauen fassen
Wie die Industriedesignerin einer Hamburger Reederei auf ihrem mehrjährigen Therapieweg zur „Kapitänin auf der Brücke“ wurde, schildert sie eindrücklich im vorliegenden Video.
Eben diese sehr guten Heilungschancen waren es, die Stefanie Jentz ein Jahr zuvor Mut gemacht hatten, als sie selbst einen Knoten in ihrer Brust ertastete: „Angehörige von mir hatten bereits Brustkrebs“, schildert die 45-Jährige, „irgendwie war ich über meine Diagnose nicht überrascht. Beide Frauen aus meiner Familie lebten aber quietschfidel weiter – so war ich mir sicher: Ich werde auch leben.“
Für sie und ihren Partner sei es wichtig gewesen, ihren „norddeutschen Humor“ nicht zu verlieren. „Die Erkrankung wurde zu einer Art Projekt“, erinnert sich die Industriedesignerin und schmunzelt dabei, „ich las vieles nach, die neuen Einblicke in meinen Körper faszinierten mich auf gleiche Weise wie die Schiffe, die ich in meinem Job baue.“ Die Emotionen als Kehrseite zu dieser eher sachlichen Haltung hätten sich erst viel später eingestellt, so Jentz.
Bei Daria Hoffmann hatte sich ihre Brust schon längere Zeit vor der Diagnose wie ein Blumenkohl angefühlt, zu viele Zysten hatten ihrer Gynäkologin klare Aussagen über mögliche Erkrankungen erschwert. Eine Mammografie und ein Termin beim dermatologischen Hautscreening erhärteten den Anfangsverdacht, es folgten eine operative Entfernung des Knotens und die Überweisung ans Brustzentrum. „Ich war außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen und dankbar dafür, dass meine Ärztin den ersten Vorstellungstermin für einen Ultraschall im Brustzentrum verabredete“, schildert Hoffmann. Jentz wandte sich ebenfalls sofort ans Brustzentrum im UKE.
Hohes Niveau in der Tumorversorgung
Das Universitäre Brustzentrum Hamburg ist als Teil des Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH) erstmals 2004 von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert worden und erhält seitdem in einem jährlichen Audit die Auszeichnung „Brustkrebszentrum mit Empfehlung der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Senologie“. Damit wird dem UKE ein sehr hohes Niveau in der Tumorversorgung bescheinigt – nicht zuletzt ausschlaggebend hierfür sind die kooperierenden Expert:innen verschiedener Fachrichtungen, die auch Beratungen zu erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs anbieten.
Noch im selben Jahr ihrer Diagnosestellungen unterzogen sich beide Frauen umfangreichen Operationen. Während bei Daria Hoffmann vor allem vom Krebs betroffenes Gewebe aus der Brust entfernt wurde, musste bei Stefanie Jentz eine Brustdrüse entfernt werden. Es folgten weitere Operationen gemeinsam mit den plastischen Chirurg:innen – zunächst der Einsatz eines Implantats, das ihr Körper jedoch abstieß, und schließlich eine sogenannte „DIEP Flap“-Operation, bei der Gewebe aus dem Bauch entnommen und in die Brust eingesetzt wurde. „Danach musste ich zwei Wochen lang mit angewinkelten Beinen und aufrechtem Oberkörper im Bett verbringen“, berichtet Jentz. Die vier OPs in Summe, teils unter strengen COVID-Auflagen, seien eine langwierige Prozedur gewesen: Zuletzt wurden Stefanie Jentz Anfang dieses Jahres aus ihren Augenlidern eine Brustwarze geformt und der Brustaufbau damit drei Jahre nach der Diagnose vollständig abgeschlossen.
Eine Psychoonkologin nahm zu beiden Frauen nach ihren ersten OPs Kontakt auf. Mit einem Grinsen erinnert sich Stefanie Jentz daran: „Die Psychologin schaute auf meine Zeichnungen in meinem Sketcher-Tagebuch, winkte ab und meinte: „Läuft bei Ihnen!“ Und auch Daria Hoffmann hat keine psychologische Begleitung benötigt. „Sehr geholfen haben mir die Brustschwestern und Ärztinnen, die jederzeit alle meine Fragen beantwortet haben“, so Hoffmann.
Antihormon- statt Chemotherapie
„Bei Frau Hoffmann erwies sich der Krebs als vergleichsweise wenig aggressiv“, erklärt Dr. Lisa Steinhilper, Leiterin des Universitären Brustzentrums Hamburg und behandelnde Ärztin, ihren weiteren Therapieverlauf. „Vor diesem Hintergrund konnten wir zu einer Strahlen- und Antihormontherapie raten und auf eine Chemotherapie verzichten.“ Stefanie Jentz konnte im Rahmen einer Studie an einer intensivierten Antihormontherapie teilnehmen – und benötigte daher ebenfalls keine Chemotherapie.
Carolin Dröge, Breast Care Nurse, ergänzt: „Ich war von der Diagnose bis zum Ende der Therapie als feste Bezugsperson für Frau Hoffmann da.“ Unterstützung, die ankam: Die Brustschwestern und Dr. Steinhilper seien sehr herzlich und hilfsbereit gewesen: „Meine Ängste verflogen. Ich fühlte mich gut betreut“, so ihr Fazit.
Über einen Zeitraum von sechs Wochen wurde Daria Hoffmann in zehnminütigen Einheiten bestrahlt, trug Salben gegen die Rötungen auf die entsprechenden Hautstellen auf. Mit Unterstützung des Sozialdienstes stellte sie einen Antrag auf Schwerbehinderung, suchte nach einer passenden Rehaklinik. Seit gut einem Jahr kann die Krankenschwester wieder arbeiten. „Jetzt muss ich einmal jährlich zur Mammografie. Das Vertrauen in den eigenen Körper kommt erst langsam zurück, aber es geht mir zunehmend besser.“ Künftig möchte die 47-jährige Mutter zweier Kinder gesund leben, sich viel in der freien Natur bewegen.
Stefanie Jentz sieht ihre Situation ähnlich. Die Treffen mit ihren Sketcher-Freund:innen aus aller Welt, sei es online vom Klinikbett aus oder wieder zunehmend draußen in Stadt und Natur, geben ihr die nötige Kraft und Zuversicht. Dennoch sagt sie: „Ich realisiere erst nach und nach, dass meine Krebsreise bald vorüber ist.“ Während Jentz die Welt in den vergangenen Jahren lediglich von ihrem Bett aus zeichnete – kann sie jetzt wieder aktiv daran teilhaben, auch Sport und Spaziergänge sind neben der regelmäßigen Physiotherapie wieder mehr möglich.
Um ihre Erkrankung vollends zu verarbeiten, hat sich Jentz inzwischen doch für psychologische Unterstützung entschieden. Die letzten Tabletten der intensivierten Antihormontherapie konnte sie langsam ausschleichen. Die Umstellung auf eine neue Medikation für die nächsten Jahre mit selteneren Besuchen vor Ort im UKE geben Jentz zusätzlichen Freiraum – eine Reise nach Italien steht bereits im Kalender. Den regelmäßigen Nachsorgen sieht sie positiv entgegen – sie seien eine Erinnerung daran, das Leben täglich zu genießen, sagt Jentz. Und: Zur Radiologie hat sie schließlich auch eine künstlerische Verbindung aufgebaut. „Ich entdeckte im Wartebereich eine Vase, die ich wirklich toll fand“, berichtet Jentz, „ich recherchierte den Künstler, nahm Kontakt zur Galeristin auf und fertigte schließlich eine Kopie aus Porzellan an.“ Diese begeisterte das Radiologie-Team so sehr, dass sie tauschten: Jentz‘ Vase steht jetzt im Wartebereich, die des Künstlers bei der vielseitigen Industriedesignerin zu Hause. „I‘m starting to feel okay“, „ich fühle mich langsam wieder gut“ steht auf beiden Objekten – Sinnbild für Gesundheit als höchstes Gut hier wie dort, für sie selbst genauso wie für andere.
Zäsur in der Biografie
Eine Zäsur aber hat die Diagnose Brustkrebs in den Biografien beider Frauen hinterlassen. „Meine Familie möchte jetzt nach vorn schauen, sich nicht mehr mit der Erkrankung befassen, und das respektiere ich auch“, sagt Daria Hoffmann. Und Stefanie Jentz fasst es für sich so zusammen: „Ich bin sensibler geworden für die Gefühle und Bedürfnisse meiner Mitmenschen und teile meine Lebensfreude gern durch Zeichnungen und Kreatives wie etwa eine Karte zum Geburtstag.“
Weitere Infos, unter anderem eine ausführliche Broschüre zum Thema, finden Sie auf: www.uke.de/brustzentrum
COSIP: Beratung für Kinder krebskranker Eltern:
- Anlaufpunkt für Familien mit minderjährigen Kindern
- Psychotherapeut:innen begleiten die Gespräche
- Die Krebserkrankung, Wünsche, Ängste und Fragen können in geschütztem Rahmen thematisiert werden
Die Themen und Termine zu unserer Online-Veranstaltungsreihe für Menschen mit Krebs und ihre Angehörigen finden Interessierte auf der entsprechenden Webseite www.uke.de/inkontaktbleiben