Damit Gesundheit kein Fremdwort bleibt
Die Kommunikation zwischen Ärzt:in und Patient:in ist oft schwierig. Wie soll es da erst Menschen ergehen, denen Deutsch nicht in die Wiege gelegt wurde und die das Gesundheitswesen nicht kennen? Ein UKE-Projekt sorgt für bessere Verständigung.
„Migrant:innen werden – neben alten Menschen und psychisch Kranken – in der Gesundheitsversorgung in Deutschland substanziell benachteiligt“, sagt Prof. Dr. Mike Mösko, Leiter der Arbeitsgruppe Psychosoziale Migrationsforschung, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie. Wenig verwunderlich, ist vor allem die Sprache eine große Barriere: „Wir haben in einer Studie herausgefunden, dass rund zwölf Prozent aller Patient:innen nicht hinreichend gut Deutsch sprechen.“ Ins Englische zu wechseln, sei aber auch keine Lösung. „Viele Patient:innen sprechen kein Englisch, sondern Türkisch, Polnisch, Russisch, Arabisch oder Farsi“, so Mösko. Die Folge: Etwa jede:r zehnte Patient:in kann nicht ausreichend versorgt werden, weil Ärzt:in und Patient:in keine gemeinsame Sprache finden.
Leitlinien für die Ausbildung von Dolmetschenden
Was tun? Eine praktikable Lösung sei der Einsatz von Dolmetscher:innen, so Mösko. Anders als im UKE, wo es seit 1995 einen Dolmetscherdienst mit zurzeit 170 Dolmetschenden für 72 Sprachen und 1000 Einsätzen pro Monat gibt, geschehe dies aber nur selten, denn der Einsatz von Dolmetscher:innen könne im Gesundheitssystem nicht abgerechnet werden. Setzen Kliniken dennoch bei Bedarf Dolmetscher:innen auf Honorarbasis ein, so Mösko, haben diese in der Regel keine formale Qualifikation.
Im Rahmen von EU-finanzierten Projekten ist sein Team der Frage nachgegangen, wie Dolmetscher:innen ausgebildet sein müssten, um im Gesundheits- und Gemeinwesen arbeiten zu können. Prof. Mösko: „Dabei haben wir Leitlinien und Qualitätsstandards entwickelt. Basierend auf diesen haben wir eine Qualifizierungsmaßnahme konzipiert. Derzeit führen wir diese durch und evaluieren sie.“
Ein weiteres Vorhaben ist, Ärzt:innen und andere Fachkräfte in der Arbeit mit Dolmetscher:innen zu stärken. Neben Fortbildungen wurden Lehrfilme gedreht (online zu sehen unter www.zwischensprachen.de ). Die neun Clips zeigen mögliche Irritationen und Auflösungen in gedolmetschten Gesprächen und informieren über grundlegende Aspekte und den Umgang mit Telefon- und Videodolmetschen. „So ist beispielsweise ein kurzes Vorgespräch mit der dolmetschenden Person wichtig, um über die Zielsetzung des Gesprächs aufzuklären."
Erst dann zur:m Zahnärzt:in, wenn es weh tut
Fehlende Sprachkenntnisse sind aber nur ein Grund, der die gute Versorgung von zugewanderten Patient:innen erschweren kann: Dr. Ghazal Aarabi, Poliklinikfür Zahnärztliche Prothetik, nennt diese typischen Hindernisse auch „kulturelle Risikofaktoren“. Das Inanspruchnahmeverhalten von Migrant:innen sei „eher beschwerde- statt präventionsorientiert“, sagt die Oberärztin, deren Eltern einst aus dem Iran nach Deutschland kamen. „Sie gehen oft erst dann zu Zahnärzt:innen, wenn es wirklich weh tut. Das Prinzip der Vorsorge ist bei ihnen nicht verankert.“
Um die Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, entwickeln Aarabi und ihr Team gemeinsam mit der Arbeitsgruppe des Psychologen Dr. Christopher Kofahl vom Institut für Medizinische Soziologie eine Smartphone-App, die in fünf Sprachen grundlegendes Wissen über Mundgesundheit und das deutsche Gesundheitssystem vermitteln soll. „Viele wissen zum Beispiel nicht, dass präventive Zahnarztleistungen in unserem Gesundheitssystem oft durch die Krankenversicherung übernommen werden.“
Text: Arnd Petry
Foto: Ronald Frommann