Arbeitsgruppe Klinische Studien
Was passiert, wenn die innere Uhr nicht mehr richtig tickt?
Wenn die innere Uhr aus dem Takt kommt, kann dies weitreichende Folgen für die Gesundheit haben. Jeder, der bereits einmal nach einem Langstreckenflug einen "Jetlag" hatte, weiß wie sehr wir in unserem Wohlbefinden leiden können, wenn die innere und die äußere Uhr nicht mehr synchron sind. Ähnlich ergeht es vielen Schichtarbeitern, die aufgrund der nächtlichen Arbeit chronisch einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus (auch zirkadianer Rhythmus genannt) haben. Dass dies nicht nur zu Störungen des Wohlbefindens und des Schlafes führen kann, sondern auch langfristig den Stoffwechsel negativ beeinflusst, zeigen entsprechende Untersuchungen. Zum Beispiel haben Krankenschwestern, die regelmäßig Nachtschichten ableisten, ein fünffach erhöhtes Risiko, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus Typ 2 (sogenannter "Altersdiabetes") zu entwickeln. Interessanter Weise entwickeln gesunde Probanden, deren Tag-Nacht-Rhythmus gestört wird, ähnliche Veränderungen des Blutzuckers, wie sie für frühe Stadien des Diabetes mellitus typisch sind. Dieser enge Zusammenhang zwischen dem zirkadianen Rhythmus und dem Stoffwechsel unterstreicht die Bedeutung, die der Lebensstil für die Entwicklung von Erkrankungen hat.
Diabetes - ein Problem des Lebensstils
In unserer modernen Gesellschaft, die wenig Rücksicht nimmt auf die seit Jahrtausenden vorgegebenen, durch Tag und Nacht gesteuerten biologischen Rhythmen, stellen gerade Übergewicht und die häufig in Folge entstehenden Gesundheitsprobleme wie Diabetes mellitus und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems ein zunehmende Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass die Zahlen an Diabetikern weltweit seit Jahren drastisch ansteigen. Dass bei der Entwicklung des Diabetes mellitus Typ 2 der Lebensstil eine entscheidende Rolle spielt, ist bekannt. Trotzdem reichen allgemeine Empfehlungen zum "gesunden Lebensstil" wie Gewichtsabnahme und Sport nicht aus, um die Zunahme an Diabetes-Erkrankungen in den Griff zu bekommen. Umso mehr ist es dringend notwendig, weitere Faktoren des modernen Lebensstils zu untersuchen, die dazu beitragen, dass sich ein Diabetes mellitus entwickelt - wobei in den letzten Jahren der zirkadianen Rhythmus zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Wenn es gelingt, diese Faktoren zu identifizieren und deren Mechanismen aufzuklären, könnte man in Zukunft besser vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um die Entstehung von Diabetes mellitus zu verhindern. Außerdem könnte ein besseres Verständnis der biologischen Grundlagen dazu beitragen, gezielte Therapien zu entwickeln, die zum Beispiel über eine Beeinflussung des Tag-Nacht-Rhythmus den Stoffwechsel regulieren.
Europäische Forschung der zirkadianen Rhythmen und Diabetes: EuRhythDia
In einem von der EU geförderten Forschungsvorhaben unter der Leitung von Prof. Böger, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am UKE, wollen Wissenschaftler aus 9 Ländern gemeinsam untersuchen, in welchem Zusammenhang Veränderungen des Tag-Nacht-Rhythmus mit Veränderungen des Stoffwechsels stehen - und welche Beeinflussungsmöglichkeiten es gibt. Europaweit werden im Rahmen von EuRhythDia über fünf Jahre mehrere Projekte durchgeführt. Neben der Untersuchung kleiner Moleküle für die gezielte pharmakologische Beeinflussung von Genen, die an der Regulierung des zirkadianen Rhythmus beteiligt sind, werden auch tierexperimentelle Studien zum besseren Verständnis der molekularen Grundlagen des Tag-Nacht-Rhythmus durchgeführt. Einen großen Anteil an EuRhythDia haben aber auch klinische Studien. Am UKE werden hierfür zwei Untersuchungen durchgeführt: eine Studie an Probanden, die aufgrund von Schichtarbeit einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus haben, sowie eine weitere Studie an Probanden, deren Eltern an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind und die somit ein hohes Risiko tragen, selbst an Diabetes zu erkranken. In beiden Studien wird sowohl der Stoffwechsel, als auch der zirkadiane Rhythmus im Detail untersucht. Das Ziel der geplanten Studien ist es, durch gezielte Maßnahmen wie Therapie mit Tageslichtlampen, ein an die Tageszeit angepasstes Trainingsprogramm oder die Gabe des "Schlafhormons" Melatonin den zirkadianen Rhythmus zu normalisieren und damit den Stoffwechsel günstig zu beeinflussen. Zusätzlich werden in bereits bestehenden Studien, wie zum Beispiel der von Prof. Blankenberg, Direktor der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie am Universitären Herzzentrum geleiteten Gutenberg-Gesundheits-Studie, aber auch weiteren Europäischen Kohorten, die Daten von Teilnehmern mit gestörtem zirkadianen Rhythmus mit den Daten von Teilnehmern ohne derartige Störungen verglichen. Damit wollen die Forscher herausfinden, welche Veränderungen im Stoffwechsel ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus mit sich bringt. Da die Teilnehmer dieser Studien über mehrere Jahre beobachtet werden, wird es zudem möglich sein zu untersuchen, welche dieser Veränderungen relevant sind für die Entwicklung von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Zukunft.
Insgesamt ist EuRhythDia also ein ambitioniertes Projekt, dass sich zum Ziel gemacht hat, die Grundlage zu schaffen für die Entwicklung von neuen, lebensstilorientierten Präventionsmaßnahmen und Therapien des Diabetes mellitus - einem zunehmend wichtigen Gesundheitheitsproblem unserer Zeit.