Tierexperimentelle Forschung im UKE
Medizinische und biomedizinische Forschungsprojekte sind wesentlich auf die Arbeit mit Tieren angewiesen. Zwar können neue Wirkstoffkandidaten durch Computersimulationen gefunden werden oder Zellkulturen können Aufschluss über physiologische Abläufe geben. In vielen Fällen kann ein Forschungsvorhaben jedoch nur dann Erfolg haben, wenn zumindest Teile davon am lebenden Organismus durchgeführt werden. So kann bisher die Bildung von Metastasen im Körper nur im Tiermodell untersucht werden, die Verbesserung künstlicher Herzklappen ist auf einen lebendigen Organismus mit einem echten Kreislaufsystem angewiesen und Operationen am ungeborenen Kind können nur am Tier optimiert werden, bevor sie am Menschen angewendet werden.
Das UKE engagiert sich in den Forschungsschwerpunkten Krebs, Entzündungen und Immunität, Metabolismus (Stoffwechsel), Neurobiologie und Herz-Kreislauf.
Die Forschungsvorhaben finden unter ständiger Berücksichtigung des 3R-Prinzips (Reduce, Replace, Refine – Vermeiden, Ersetzen, Verbessern) auf Basis von Computersimulationen, von bereits entnommenen Proben von künstlich gezüchtetem Gewebe sowie als Metastudien auch unter Einsatz von Versuchstieren statt.
Um schwere Erkrankungen von Menschen besser verstehen und zukünftig besser behandeln zu können, werden unter strenger behördlicher Aufsicht und unter selbstverständlicher Einhaltung der entsprechenden Gesetze den Versuchstieren in den verschiedenen Forschungsprojekten etwa Tumoren implantiert werden, Schlaganfälle herbeigeführt, experimentell Hirnhautentzündung erzeugt bis hin zur Durchführung von „Stressversuchen“ im Rahmen von Studien zur Epigenese. Daneben werden an Schafen kardiovaskuläre Eingriffe durchgeführt und an Schweinen neuartige Techniken und Methoden der Medizin erprobt und gelehrt.
Bei allen Forschungsprojekten, die Tiere einbeziehen, wird vorab gründlich geprüft, ob das Forschungsziel ohne den Einsatz von Versuchstieren erreicht werden kann.
Zitat
„Versuchstiere helfen uns dabei, schwere und potenziell tödliche Erkrankungen von Menschen genauer zu verstehen und besser behandeln zu können.“
- Prof. Dr. Samuel Huber, Direktor, I. Medizinische Klinik, Leiter Molekulare Gastroenterologie und Immunologie
Interview
3 Fragen an: Prof. Dr. Samuel Huber, Direktor, I. Medizinische Klinik, Leiter der Molekulare Gastroenterologie und Immunologie
Prof. Dr. Samuel Huber, warum finden weiterhin Tierversuche statt?
Tierversuche sind in der Forschung immer noch unerlässlich und im Entwicklungs- und Zulassungsprozess von neuen Therapien und Medikamenten ein ganz wichtiger Schritt hin zu sicheren Behandlungen. Auch die mRNA-Impfstoffe, auf denen die Corona-Impfung basiert, wurden ja zuvor an Tieren getestet. Im UKE erforschen wir schwere Erkrankungen beim Menschen, beispielsweise Darmkrebs sowie auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen – Morbus Crohn und Colitis ulcerosa – unter Zuhilfenahme von Versuchstieren noch weiter, um sie zukünftig besser therapieren und vielleicht sogar heilen zu können.
Können Tierversuche nicht auch durch Alternativmethoden ersetzt werden?
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe guter Alternativmethoden. So kann etwa das Blut oder kleinste Gewebeteile von Patient:innen genutzt werden, um daraus im Labor Zellkulturen zu erzeugen. Wir nutzen diese Alternativen, soweit es möglich ist, und reduzieren Tierversuche auf das absolut notwendige Minimum. Komplexe Zusammenhänge zwischen Mikroben, Immunzellen und Organfunktionen lassen sich jedoch nur im lebenden Organismus untersuchen.
Sind Ergebnisse von Tierversuchen denn überhaupt auf den Menschen übertragbar?
Ja. Um ein Beispiel zu nennen: Die Rolle des Botenstoffes IL-23 wurde in der Maus untersucht und eine Blockierung dieses Botenstoffes findet nun Anwendung bei Patient:innen mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Damit wir allerdings den Funktionsweisen des Darms, der beim Menschen durch Umwelteinflüsse verändert ist, noch genauer auf die Spur kommen können, führen wir nicht nur Tests mit den „spezifiziert pathogenfreien“ Labormäusen, sondern auch mit „Wildlingsmäusen“ durch. Diese besitzen wie Mäuse, die in der Natur leben, eine natürliche Darmflora, die besser mit der menschlichen Darmflora vergleichbar ist. Es gibt auch die Möglichkeit, die Darmflora einer:s bestimmten Patient:in auf eine Maus zu übertragen. Die Forschungsergebnisse mit diesen „patient-specific gnotobiotic mice“ zeigen, dass die Mäuse die gleichen Krankheitszeichen wie die entsprechenden Patient:innen etwa mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen entwickeln. Insofern spielen Mäuse eine äußerst wichtige Rolle dabei, schwere und potenziell tödliche Erkrankungen beim Menschen zukünftig besser zu verstehen und zielgerichteter behandeln zu können.