Forschung
Ausgangspunkt für unsere Arbeiten ist nicht ein einzelnes Krankheitsbild, sondern die Stammzelltransplantation als eine medizinische Therapiemethode. Sie kann auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten und dessen Erkrankung angepasst werden, so dass das einzugehende Risiko der Situation unserer Patienten angepasst und möglichst gering wird. Eine Stammzelltransplantation ist selbst schon eine Immuntherapie, aber sie bietet durch das neue Immunsystem auch eine Plattform, eine individualisierte zelluläre Immuntherapie anzuschließen, wenn das notwendig ist.
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Neuroblastom
Das Neuroblastom ist ein im Kindes- und Kleinkindesalter häufiger Tumor mit schlechter Prognose bei fortgeschrittener Erkrankung trotz intensiver Behandlung durch Chemotherapie, Chirurgie, Bestrahlung und Hochdosischemotherapie und anschließender Transplantation eigener (autologer) Stammzellen. Neue Behandlungsformen werden deshalb dringend benötigt. Die Nutzung des Immunsystems zur Behandlung von Kindern mit Neuroblastom ist ein vergleichsweise neuer Therapieansatz mit vielversprechenden ersten Ergebnissen. Bei niedrigeren Stadien der Erkrankung kann man dagegen oft eine spontane Rückbildung des Neuroblastoms beobachten. Die Ursache dieses Phänomens ist nicht eindeutig geklärt, allerdings finden sich im Blut gesunder Menschen gelegentlich Antiköper, die Neuroblastom-Zellen erkennen und vernichten können (sog. „natürlich“ vorkommende Antikörper). Interessanterweise haben die gesunden Träger dieser Neuroblastom-Immunität keine Beschwerden, die den Nebenwirkungen der etablierten Antikörpertherapie entsprechen. Unser Ziel ist es, diese Immunität gegen das Neuroblastom genauer zu charakterisieren, um diese Antikörper dann für die Behandlung von Kindern mit Neuroblastom nutzen zu können. Wir möchten hierdurch die Behandlung betroffener Kinder effektiver, aber auch weniger nebenwirkungsreich machen.
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Spenderwahl bei haploidenter Stammzelltransplantation
Die HLA-haploidente Stammzelltransplantation (hHSCT), bei der ein Elternteil Stammzellen für sein Kind spendet, ist mittlerweile eine etablierte Therapie von Hoch-Risiko-Leukämien im Kindesalter, die nicht durch eine konventionelle Chemotherapie geheilt werden können. Da in den meisten Fällen sowohl Vater als auch Mutter zu einer Stammzellspende für ihr Kind bereit sind, bleibt die Frage offen, ob und warum ein Elternteil besser geeignet sein könnte als das andere. Mit unserem Projekt möchten wir diese Entscheidung erleichtern. In unseren Untersuchungen haben wir die Gruppe der Mütter zweigeteilt in (1) Mütter, in deren Peripherblut DNA kindlicher Zellen nachweisbar war, die einen sogenannten fetalen Mikrochimärismus (FM+) aufwiesen, und (2) Mütter, in denen keine DNA kindlicher Zellen nachweisbar war, die keinen fetalen Mikrochimärismus aufwiesen (FM-). Wir konnten zeigen, dass, wenn Mütter mit kindlicher DNA im Blut die Stammzellspenderinnen waren, die Überlebensrate der Kinder um etwa 40% höher war, als wenn keine DNA nachzuweisen war, und etwa 20% höher, als wenn Väter die Spender waren. Basierend auf dieser Entdeckung erforschen wir nun die immunologischen Hintergründe – warum tritt ein Mikrochimärismus nicht in allen Müttern auf und warum hat ein persistierender Mikrochimärismus einen positiven Einfluss auf das Überleben des Kindes nach Stammzelltransplantation? Hier ist unsere Hypothese, dass die Interaktion von mütterlichen KIRs mit HLA-C auf den fetalen Zellen einen Einfluss auf die NK Zellen der Mutter ausübt und mit darüber entscheidet, ob ein Mikrochimärismus nach der Geburt fortbesteht. Dementsprechend wollen wir untersuchen, ob ein fetaler Mikrochimärismus und ein günstiges KIR-Muster im Fall der hHSCT unabhängig voneinander sind oder sich gegenseitige Abhängigkeiten aufzeigen lassen.
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Einfluss von Anti-Lymphozytenglobulin-Spiegeln auf das Outcome von Kindern nach Stammzelltransplantation
Nach einer Stammzelltransplantation kann es zu Komplikationen wie der Abstoßung des Transplantats, einem Rückfall der Grunderkrankung, viralen Infektionen oder zu einer sogenannten Transplantat-gegen-Wirt Reaktion (Graft-versus-Host Disease, GvHD) kommen. Dabei reagieren die T-Zellen des Spenders gegen Organe des Empfängers, vor allem Haut, Leber und Darm. Um einer GvHD vorzubeugen, das Anwachsen der Spenderzellen zu erleichtern und noch vorhandene maligne Zellen im Empfänger zu eliminieren, werden die Patienten vor der Transplantation neben einer Chemotherapie zusätzlich mit einer Serotherapie konditioniert. Dabei werden dem Patienten Anti-Lymphozytenglobuline (ATG) verabreicht, die gegen T-Zellen gerichtet sind. In unserem Projekt untersuchen wir Zusammenhänge zwischen dem aktiven ATG-Spiegel im Serum von Kindern, die eine Stammzelltransplantation erhalten, und Faktoren wie Grunderkrankung, T-Zell-Zahl im Peripherblut und Alter des Patienten. Mit Hilfe dieser Daten soll eine individualisierte Behandlung für jeden Patienten ermöglicht werden.
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Rekonstitutionsdynamiken des Blutes nach Stammzelltransplantation
Die hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) ist eine wichtige Therapieoption bei der Behandlung von Hochrisiko-Leukämien und einigen Tumorerkrankungen. Der Erfolg der Behandlung hängt wesentlich davon ab, wie schnell die gespendeten Stammzellen anwachsen. Dabei spielt die klonale Zusammensetzung des Transplantats vermutlich eine entscheidende Rolle. In einem durch die DFG geförderten Projekt wollen wir mit Hilfe von genetischen Barcodes (kurzen, eindeutig zuzuordnenden Sequenzen) den Einfluss von verschiedenen Stamm- und Vorläuferzellen auf das Anwachsen (Rekonstitution) des neuen Blutsystems nach Transplantation im Mausmodell untersuchen. Das Projekt läuft in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Institut für Medizinische Biometrie und Informatik der Technischen Universität Dresden, mit denen die genetischen Barcodes etabliert wurden. Die im murinen HSCT-Modell über „next-generation sequencing“ und bioinformatische Analysen erhobenen Daten zur klonalen Rekonstitution der Hämatopoese sollen benutzt werden, um bestehende mathematische Regenerationsmodelle zu verfeinern.
Weitere Projekte:
Außerdem werden die genetischen Barcodes verwendet, um die Metastasierung von soliden Tumoren zu analysieren oder mathematische Modelle der Leukämieentstehung zu entwickeln. Solche Modelle werden immer häufiger gezielt für die verbesserte Planung und die Optimierung klinischer Behandlungsstrategien eingesetzt.
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Hämophagozytische Lymphohistiozytose und assoziierte Syndrome
Das hyperinflammatorische Syndrom hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Klinik-nahen Forschung am Zentrum. Hier ist das von der Gesellschaft für pädiatrische Hämatologie und Onkologie bestimmte Referenzzentrum für die zytologische und molekulargenetische Diagnostik dieser Erkrankungsgruppe angesiedelt, welches Kristallisationspunkt für weitergehende Forschungsprojekte ist. In der Sektion befindet sich das Datenmanagement des internationalen HLH-Registers der Histiocyte Society und der Euopean Society for Immunodeficiencies, sowie dessen nationale Koordination. Der Fokus der Forschung liegt auf der Identifikation von Gendefekten, Subgruppenanalysen und Analysen von Stammzelltransplantationen bei hämophagozytischen Erkrankungen. Das Studienteam besteht aus der ärztlichen Leitung, einer Studienärztin, einem Biochemiker, einer Dokumentarin und MTAs.
Aktuell wird von unserem Forschungsteam auf diesem Erkrankungsgebiet ein gentherapeutischer Schwerpunkt etabliert (siehe Gentherapeutischer Ansatz bei FHL5).
Gentherapeutischer Ansatz bei FHL5
Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) ist eine seltene, akut lebensbedrohliche, hyperinflammatorische Erkrankung, die in primärer Form auf Grundlage eines genetischen Defektes (familäre HLH, FHL) beruht. Bei der familiären Form liegt die Ursache in der Defizienz der zytotoxischen Aktivität von NK und zytotoxischen T-Zellen. Die Fehlfunktion dieser Zellen führt zu einer überhöhten Aktivierung von Lymphozyten und Makrophagen, die in Gewebe einwandern und übermäßige Mengen an Zytokinen produzieren. Die Behandlung der akuten HLH erfolgt durch Immunsuppressiva und Zytostatika, allerdings ist die familiäre HLH nur durch eine allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT) dauerhaft heilbar. Um mögliche Komplikationen, die mit einer allogenen HSCT einhergehen können, zu vermeiden, arbeiten wir an einem gentherapeutischen Ansatz, in dem die betroffenen Patientenzellen behandelt werden. In ersten Projekten beschäftigen uns mit dem der HLH-Subgruppe FHL5, bei denen das Protein Munc18-2, was in unserer Abteilung identifiziert wurde, ursächlich ist. Innerhalb des Projektes soll zunächst ein induzierbares FHL5-Mausmodell generiert werden. Im Weiteren sollen lenti- und alpharetrovirale Vektoren mit unterschiedlichen Promotoren kloniert werden und in vitro und später im generierten Mausmodell getestet werden.