Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, abgekürzt TP, blickt auf eine lange Tradition zurück und hat die gesamte Psychotherapieentwicklung maßgeblich bereichert. Definiert als eine Anwendungsform der Psychoanalyse, ist die TP neben der Analytischen Psychotherapie und der Verhaltenstherapie eines der drei wissenschaftlich und sozialrechtlich anerkannten psychotherapeutischen Behandlungsverfahren in Deutschland.
Was ist Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie?
TP ist ein theoriegeleitetes Behandlungsverfahren. Freud (1926b, S. 300) definierte Tiefenpsychologie als die Wissenschaft von den unbewussten seelischen Vorgängen. Bereits hier deutet sich an, dass die Begriffe Tiefenpsychologie und das Unbewusste untrennbar miteinander verbunden sind. Dies gilt bis heute; fragt man nach dem common ground bzw. nach dem Alleinstellungsmerkmal aller aus der Psychoanalyse abgeleiteten Therapiemethoden, dann ist es die systematische Arbeit mit dem (dynamischen) Unbewussten. In den fast 100 Jahren, die seit Freuds bahnbrechendem Werk vergangen sind, hat sich eine Vielzahl psychoanalytischer Theorien entwickelt. Diese Diverfizierungen werden heutzutage als „Psychologien“ oder „Schulen“ der Psychoanalyse bezeichnet. Wir unterscheiden
- die Triebtheorie
- die Ich-Psychologie
- die Objektbeziehungsbeziehungstheorie
- die Selbstpsychologie
- die relationale Psychoanalyse
In Übereinstimmung mit moderner Gedächtnispsychologie und den kognitiven Neurowissenschaften ist auch in den psychoanalytisch orientierten Behandlungsverfahren allgemein anerkannt, dass es zwei Arten des Unbewussten unterschieden werden müssen: Die eine folgt den Regeln des expliziten, deklarativen Gedächtnisses, die andere denen des impliziten-prozeduralen Gedächtnisses.
Eine zeitgemäße Krankheitslehre der psychoanalytisch begründeten Therapieverfahren nutzt vier unterschiedliche ätiopathogenetische Krankheitsmodelle:
- Konfliktpathologie
- Strukturpathologie
- Traumapathologie
- Reaktive (Stress-)Pathologie
Mit ihrer Verankerung in der Theorie der Psychoanalyse übernimmt die TP das Menschenbild, die Persönlichkeitstheorie, die Krankheitsheitslehre und auch die Behandlungstheorie. Die Praxeologie weicht jedoch von der der Psychoanalyse ab, wie dies vor allem auch durch das Setting abgebildet ist: TP findet überwiegend mit einer Therapiesitzung pro Woche im Sitzen statt. Die Höchstgrenze der kassenfinanzierten Behandlungssitzungen liegt bei 100 Stunden. Folgende Merkmale kennzeichnen die therapeutische Arbeit der TP:
- Bedeutung (früher) interpersonaler Erfahrungen und unbewusster Prozesse und Strukturen
- Grundannahme einer konflikthaften Prägung menschlichen Handelns, Denkens und Erlebens
- Bedeutung der verinnerlichten interpersonalen Erfahrungen (Repräsentationen) für das aktuelle Erleben und Verhalten
- Reflexion von Übertragung/Gegenübertragung im Kontext der therapeutischen Beziehung
- Fokus auf szenischem Verstehen, auf Narrative und deren Modifikation
- Variation des therapeutischen Vorgehens primär in Abhängigkeit von den Therapiezielen und den Störungsbedingungen (Konflikt, Struktur, Trauma), weniger in Abhängigkeit von den Störungen („Diagnosen“)
- Studien zur Effektivität und Effizienz belegen die hohe Wirksamkeit für eine Vielzahl klinischer Anwendungen und Settings (z.B. Leichsenring 2015; Leichsenring et al. 2015). Evidenzbasierte störungsorientierte Methoden z.B. für die Behandlung von schweren Persönlichkeitsstörungen tragen der Spezifität dieser Patientengruppen Rechnung (z.B. Stoffers et al. 2012).