Motive und Hindernisse zur Teilnahme von Patienten mit Typ-2-Diabetes an Patientenschulungen
Ingmar Schäfer, Claudia Küver, Mark Pawels, Hanna Kaduszkiewicz, Hendrik van den Bussche
Hintergrund
Patientenschulungen sollen nicht nur wirksam, sondern auch praktikabel sein, z.B. sollte eine Mehrheit der Patienten bereit sein, an ihnen teilzunehmen. In der Realität zeigt sich jedoch, dass aus verschiedenen Gründen längst nicht alle Patienten an diesen Schulungen teilnehmen. Im „Qualitätssicherungsbericht 2004 Disease-Management-Programme in Nordrhein“ wird angegeben, dass ca. 30% der DMP-Diabetes-Typ-2-Teilnehmer, die seit mindestens einem halben Jahr ins DMP eingeschrieben sind, weder vor noch nach der Einschreibung an einer Diabetesschulung teilgenommen haben. Für diese Unterversorgung dürften u.a. das limitierte Angebot an qualitativ guten Schulungsprogrammen bzw. die geringen Schulungsaktivitäten von Hausärzten verantwortlich sein. Über mögliche andere Faktoren liegen Hinweise, jedoch kaum gesicherte Informationen vor.
Projektziele
Mittels eines Vergleichs von Teilnehmern und Nichtteilnehmern an der Schulung im Rahmen des DMPs für Patienten mit Typ-2-Diabetes wird die Frage untersucht, welche Hintergründe und Motive für die Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an diesen Patientenschulungen verantwortlich sind bzw. diese mitbefördern. Daraus werden Vorschläge zur künftigen Gestaltung dieser Programme im Sinne einer Erhöhung der Teilnahmequote abgeleitet. Ferner könnte die Untersuchung auch Hinweise auf alternative Angebote zur Förderung des Selbstmanagements für bestimmte Zielgruppen erbringen.
Methodik
Die Studie ist als zweistufige Querschnittserhebung mit einem quantitativen und einem qualitativen Teil angelegt. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Ärztekammer Hamburg (reference number OB-024/07) im Oktober 2007 genehmigt. Der quantitative Studienteil wurde als querschnittliche Beobachtungsstudie konzipiert, in der einerseits Teilnehmer mit Nichtteilnehmern an Diabetes-Schulungen miteinander verglichen werden sollten und andererseits Nichtteilnehmer hinsichtlich ihrer Gründe für die Nichtteilnahme an Schulungen in Cluster eingeteilt wurden. Patienten mit Typ-2-Diabetes wurden in 30 teilnehmenden Praxen in den Studienzentren Hamburg, Bremen und Berlin per Zufall ausgewählt und mit einem standardisierten Fragebogen schriftlich befragt. Die Datenanalyse erfolgte mittels t-Tests, chi2-Tests und Clusteranalyse. Für den qualitativen Studienteil wurden sieben Hamburger Hausarztpraxen anhand der soziodemographischen Aggregatdaten des Stadtteils ausgewählt, damit möglichst unterschiedliche sozioökonomische Lagen in der Studie vertreten waren. Die Studienteilnehmer wurden von Hausarzt angesprochen, um die Teilnahmebereitschaft an der Studie zu erhöhen. Leitfadengestützte qualitative Interviews wurden mit 14 Patienten durchgeführt. Die Interviews wurden elektronisch aufgezeichnet und wörtlich transkribiert. Die Stichprobengröße wurde aufgrund der theoretischen Sättigung festgelegt. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet mittels deduktiver und induktiver Kategorienbildung.
Ergebnisse
In den quantitativen Studienteil konnten 165 Teilnehmer und 132 Nichtteilnehmer an Diabetesschulungen eingeschlossen werden. Insgesamt haben 95% der Teilnehmer und 36% der Nichtteilnehmer berichtet, eine Empfehlung des Hausarztes bekommen zu haben, an einer Diabetes-Schulung teilzunehmen. Die Nichtteilnehmer wurden in vier Gruppen eingeteilt: die „informierten und verantwortungsbewussten“, die „uninteressierten ohne Wunsch nach mehr Informationen“, die „uniformierten, aber verantwortungsbewussten“ und die „Patienten mit psychosozialen Problemen und funktionalen Einschränkungen“. Im qualitativen Studienteil nahmen wurden vier Typen von Barrieren identifiziert: 1) Aussagen und Verhalten des Hausarztes beeinflussen die Entscheidungen des Patienten hinsichtlich von Diabetesschulungen. 2) Sowohl ein guter Gesundheitszustand als auch somatische oder psychosoziale Komorbidität können einen Grund für die Nichtteilnahme an Diabetesschulungen darstellen. 3) Ein Reihe von motivationalen Faktoren wurden diskutiert. Diese reichten von einer niedrigen Prioritätensetzung für den Diabetes bis hin zu Vermeidungsverhalten aufgrund des Wunsches nicht mit Krankheitsnarrativen anderer Patienten konfrontiert zu werden. 4) Barrieren beinhalteten auch Aspekte des Krankheitswissens und Gesundheitsverhaltens der Patienten.
Veröffentlichungen
Förderer: Bundesministerium für Bildung und Forschung (01GK0714).
Laufzeit: Januar 2008 bis August 2010.
Ansprechpartner: Ingmar Schäfer