Creolin-Flasche

Creolin | Pearson & Co., Hamburg | um 1900 | Inv.-Nr. 13369
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Creolin | Pearson & Co., Hamburg | um 1900 | Inv.-Nr. 13369

Wer dieser Tage in der Drogerie eine Flasche Desinfektionsmittel findet, kann sich glücklich schätzen. Die Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus hat die Nachfrage nach Schutzmitteln drastisch angekurbelt. Auch während der Hamburger Cholera-Epdiemie 1892 fanden Desinfektionsmittel reißenden Absatz.

Eine große, gläserne Flasche mit der gravierten Aufschrift „Creolin“ erinnert in unserer Dauerausstellung an die Cholera-Epidemie in Hamburg. Dass Ihnen dieser Produktname nicht geläufig sein mag, liegt wohl daran, dass inzwischen andere Firmen den Markt dominieren: In der aktuellen Situation sind Desinfektionsmittel mehr als gefragt. Wo vor einiger Zeit Handdesinfektion als Lifestyle Produkte mit Zitrus- oder Erdbeerduft verkauft wurden, herrscht nun gähnende Leere. Mit dem Corona-Virus ist die Aufmerksamkeit für die Bedeutung der Handhygiene enorm gestiegen.

Bei unserem Ausstellungsstück handelt es sich ebenfalls um ein Desinfektionsmittel: Die Hamburger Firma Pearson & Co. ließ sich im Jahr 1904 die Bezeichnung „Creolin“ schützen, womit sie den florierenden Handel von vielerlei Produkten unter dieser Bezeichnung unterband.

Creolin wurde als Antiseptikum und als Desinfektionsmittel verkauft und hauptsächlich in der Tierheilkunde angewendet. Ein Antiseptikum verlangsamt das Bakterienwachstum, ein Desinfektionsmittel tötet Bakterien und Viren ab. Es handelt sich um ein Präparat, welches durch die Versetzung von Teerölen mit Schwefelsäure oder Harzseifen gewonnen wird. Durch die Verdünnung mit Wasser wird es gebrauchsfähig. Ein überliefertes Rezept liest sich wie folgt:

200 T. gepulvertes Kolophonium werden mit 90 T. Natronlauge (spez. Gew. 1,333) verseift. Mit der Seife werden bei 70-80° nach und nach 780 T. Teeröl verrührt. Die Mischung wird auf 100° erhitzt […] (Rezept nach Baroni)

Das Konzept der Desinfektion war noch vor dem genaueren Wissen um bakterielle Krankheitserreger in den 1860er Jahren aufgekommen. Sie bedeutete eine Revolution für die Chirurgie. Erstmals hatten Patient/innen eine realistische Chance, Operationen im Bauchraum zu überleben, wenn sie aseptisch durchgeführt wurden. Die Operationssäle stanken nach Karbol und Jod – oder nach dem teerigen Creolin. Ärzt/innen waren darauf angewiesen, ihre Hände regelmäßig mit Alkohol einzureiben. Das wurde dem am UKE tätigen Chirurgen Peter Kalmàr in den 1960er Jahren zu umständlich. Er entwickelte ein Desinfektionsmittel, das die Haut dauerhaft benetzt, wenn man sie damit einreibt: das Sterilium.

Das wollen in Coronazeiten alle benutzen. Insbesondere Krankenhäuser stellt das vor eine große Herausforderung. Zuletzt sprangen große Firmen, wie zum Beispiel Beiersdorf und Jägermeister, ein, um mit eigener Produktion von Desinfektionsmitteln oder deren Inhaltsstoffen auszuhelfen.

Wenngleich aus guten Gründen zu einer peinlichen Handhygiene geraten wird, sind andere Ansteckungswege oft bedeutender für die Verbreitung von Infektionskrankheiten. So gehen Expert/innen derzeit davon aus, dass das Corona-Virus vor allem über Tröpfchen verbreitet wird. Die Cholera hingegen verbreitete sich bekanntlich über die Trinkwasserleitungen der Hansestadt. Der Hamburger Senat ließ in einer groß angelegten Kampagne öffentliche Plätze, Hauseingänge und die Wohnungen Erkrankter mit Chlorkalk desinfizieren. Insbesondere die Wasserkästen, in denen sich das Sedimet des Elbwassers absetzte, mussten mit Kalk desinfiziert werden.

Das ausgestellte Fläschchen Creolin zeigt heute, wie auch vermeintliche Alltagsgegenstände Geschichte(n) erzählen können. Das Exponat weist darauf hin, wie unverzichtbar und essentiell Dinge in Zeiten der Not werden können, die wir sonst vielleicht an der Kasse im Drogeriemarkt noch schnell dazugelegt hätten.

Literatur:

Arends, Georg/Frerichs, Georg/Zörnig, Heinrich (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis: Erster Band Für Apotheker, Arzneimittelhersteller Drogisten, Ärzte und Medizinalbeamte, Berlin 1938.

Popp, Walter: Geschichte der Krankenhaushygiene, Universität Essen 2001.

https://www.beiersdorf.de/presse/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/2020/03/19-beiersdorf-stellt-500-tonnen-desinfektionsmittel-in-europa-bereit (letzter Zugriff am 07.04.2020)

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/corona-jaegermeister-liefert-alkohol-fuer-desinfektionsmittel-16692757.html (letzter Zugriff am 07.04.2020)

Autorin: Johanna Salzbrunn