Aortenaneurysma: Erfolgreiche Behandlung im UKE

Eine gerissene Hauptschlagader hätte fast zum Tod von Andreas Baum geführt. Schnelle Hilfe fand er im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), eine Notoperation rettete sein Leben. Prof. Dr. Tilo Kölbel und sein Team im Aortenzentrum behandeln viele Patienten mit einer gefährlichen Erweiterung der Hauptschlagader, einem Aortenaneurysma. Oft setzen sie ihnen Gefäßprothesen ein.

Vor knapp 13 Jahren riss bei Andreas Baum die Hauptschlagader. Eine Not-OP rettete ihn damals, doch die Gefahr, dass er innerlich verblutet, ist bis heute nicht gebannt. Andreas Baum lässt sich davon nicht entmutigen. Bewusst genießt der Hobbyfotograf das Schöne im Leben – und fährt gemeinsam mit seiner Frau Nicole an abge­legene Orte, um Naturaufnahmen anzufertigen.

Nah am Abgrund

Vor knapp 13 Jahren riss bei Andreas Baum die Hauptschlagader. Eine Not-OP rettete ihn damals, doch die Gefahr, dass er innerlich verblutet, ist bis heute nicht gebannt. Andreas Baum lässt sich davon nicht entmutigen. Bewusst genießt der Hobbyfotograf das Schöne im Leben – und fährt gemeinsam mit seiner Frau Nicole an abge­legene Orte, um Naturaufnahmen anzufertigen.


Ein rasender Schmerz durchfährt Andreas Baum, als er an einem Sonnabendmorgen im Mai 2007 unter der Dusche steht – ein Gefühl, als ob ihm eine Rasier­klinge vom Herz bis in die Beine fahren würde. Der schneidende Schmerz in der Brust nimmt ihm den Atem – blass im Gesicht, wackelig auf den Beinen und mit dem Gefühl von Übelkeit wankt er aus dem Badezimmer. „Meine Frau rief sofort die 112 an“, erzählt Andreas Baum in seiner Wohnung in Itzehoe. Mit Blaulicht wird er ins örtliche Klinikum gebracht. Der Kardiologe im Notdienst vor Ort führt eine Computertomographie durch. Als er in dem Gerät lag, so erinnert sich Andreas Baum, hustete er Blut. „Ich habe der Person, die mich dort betreut hat, gesagt: Ich will noch nicht sterben!“ Dann verlor er das Bewusstsein.

Der schneidende Schmerz in der Brust hat mir den Atem und dann auch das Bewusstsein genommen.

Andreas Baum (51) aus Itzehoe

Auf den Hometrainer im Wohnzimmer? Ja, auch, aber Andreas Baum – nomen est omen – zieht es eher in den Wald
Auf den Hometrainer im Wohnzimmer?
Ja, auch, aber Andreas Baum zieht es eher in den Wald

Mit der Diagnose Aortendissektion wird er direkt ins Universitäre Herz- und Gefäßzentrum des UKE gebracht. Die Hauptschlagader, deren Hülle aus mehreren Schichten besteht, spaltet sich dabei von innen her auf – „wie eine Laufmasche am Herzen, die nach unten läuft“, verdeutlicht Andreas Baum. Ein solcher Riss führt in vielen Fällen zum Tod, die Patienten verbluten innerlich.

Im Operationssaal des Universitären Herz- und Gefäßzentrums reparieren die Ärzte in einer sechsstündigen OP die Aortenklappe und setzen eine etwa zehn Zentimeter lange Gefäßprothese in seine Hauptschlagader ein. Nach der Operation ist zunächst unklar, ob neurologische Folgen des Vorfalls drohen. Doch als Ehefrau Nicole Baum ihren Mann am nächsten Tag auf der Intensivstation besucht, gibt der Operateur Entwarnung: „Ich erinnere mich, dass er gesagt hat: ‚Ihr Mann hat Schwein gehabt‘. Und daran, dass es sehr knapp war.“ Die Erleichterung ist Nicole Baum auch bald 13 Jahre später noch anzuhören. Nach dem Klinikaufenthalt versucht ihr Mann mit einer mehrwöchigen Rehabilitationsmaßnahme, wieder auf die Beine zu kommen.

Die lange Suche nach der Ursache

Was genau der Grund war für den lebensbedrohlichen Notfall aus heiterem Himmel, das ist bis heute nicht komplett geklärt. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass es an seinem jahrelangen Rauchen nicht unbedingt gelegen habe, sagt Andreas Baum – Glimm­stengel fasst er heute gleichwohl nicht mehr an. Auch eine zunächst vermutete, erblich bedingte Bindegewebserkrankung konnte bei ihm nicht festgestellt werden. Was Andreas Baum aber Zeit seines Lebens hatte, war beruflicher Stress. „Als Einkäufer eines Metallbauunternehmens habe ich mit drei Kollegen in einem kleinen Büro gesessen, den ganzen Tag mit Geschäftspartnern am Telefon verhandelt“, berichtet er. Und bei Ärger oder Aufregung habe er früher schnell einen roten Kopf bekommen. Auffällige Blutdruckwerte seien bei Untersuchungen jedoch zuvor nie festgestellt worden.

Einige Zeit nach seiner Genesung macht Andreas Baum weiter wie zuvor. „Vielleicht ein Fehler“, sagt er heute. Denn zehn Jahre nach dem Vorfall schlagen die Ärzte im Deutschen Aortenzentrum des Herz- und Gefäßzentrums, die seinen Gesundheitszustand regelmäßig kontrollieren, Alarm: Eine zweite Operation sei vonnöten, dieses Mal zum Glück nur minimalinvasiv, ohne den Brustkorb zu öffnen.

Vögel in heimischen Wäldern fotografieren – dabei kommen Andreas und Nicole Baum zur Ruhe
Vögel in heimischen Wäldern fotografieren –
dabei kommen Andreas und Nicole Baum zur Ruhe
 Wald

Auf der Grenze zwischen Leben und Tod

Im Mai 2017 sollen ihm weitere Gefäßprothesen implan­tiert werden. Um die eigens für ihn angefertigten Prothesen in seine Adern einzusetzen, ist eine Vorbereitungs-OP notwendig, bei der die Ärzte Bypässe an beiden Seiten seiner Halsschlagader
legen wollen. Doch das Gewebe seiner Halsschlag­ader sei während dieser Operation „nahezu weggebröselt“, sagt Andreas Baum. Wieder schwebt er am Rande des Todes. Fast einen ganzen Tag, kämpfen die gefäß­chirurgischen Experten im OP um das Leben des Patienten. „Schlussendlich ist die Opera­tion geglückt – ich habe sie überlebt und einige Wochen später konnten die neuen Prothesen über die Bypässe in der Halsschlagader eingesetzt werden“, so Baum.

Fernweh nach abgelegenen Inseln:  Bald will das Ehepaar Baum wieder nach Schottland aufbrechen
Fernweh:
Bald will das Ehepaar Baum wieder nach Schottland aufbrechen
Andreas Baum
Andreas Baum versucht, ein entspanntes Leben
mit einem erfüllenden Alltag zu führen

Ein ruhigeres Leben

Ein Jahr später, im Mai 2018, wird erneut eine Gefäß-Leckage bei Andreas Baum festgestellt. Dieses Mal erhält er Dutzende weiterer künstlicher Gefäßverstärkungen. Nach einer zweiten Rehabilitation, dieses Mal im RehaCentrum direkt auf dem UKE-
Gelände, beschließt er, sein Leben radikal zu ändern: Er erkennt, dass er nicht weitermachen kann, als wäre nichts gewesen. Er beantragt einen Schwer­be­hindertenausweis, eine Erwerbsminderungsrente, hängt seinen stressigen Job an den Nagel, erledigt nur noch einen Minijob für zwei Stunden am Tag, der ihm kein Kopf­zerbrechen bereitet.

Heute halten Medikamente den Blutdruck bei Andreas Baum stabil. Um seinen Kreislauf zu trainieren, walkt und läuft er jeden Morgen gemeinsam mit seiner Frau und einem Nachbarn drei Kilometer durch die Itzehoer Umgebung. Mit einem Schrittzähler überprüft er, ob er sich genügend bewegt, auf 8000 Schritte möchte er täglich kommen.

Papageientaucher
Papageientaucher
im Norden Schottlands
Lieblingsreiseziel:
Schottland

Das Gefühl, dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, begleitet ihn seit langem durchs Leben. Geburtstag feiert er jedes Jahr zweimal: einmal an seinem tatsächlichem Geburts­datum, dem 16. März. Und einmal am Jahrestag seiner Not-OP, dem 12. Mai. Er versucht, ein entspanntes Leben mit einem erfüllenden Alltag zu führen. Versucht, nicht ständig daran zu denken, wie weit entfernt sich die nächste Klinik befindet. Fährt mit seiner Frau auf winzige Inseln im Norden Schottlands, um seine geliebten Papageientaucher zu fotografieren – mehrmals im Jahr. Der Gedanke daran, dass das Leben auch ganz plötzlich vorbei sein kann, verfolgt Andreas Baum dabei nicht. „Niemand kann ständig daran denken, dass er sterben wird – ob mit oder ohne Aortendissektion“, sagt er.

Autorin: Katja Strube
Fotos: Ronald Frommann, Nicole und Andreas Baum