Ein Schlag ins Kontor
Ohne Vorwarnung und mit voller Wucht trifft sie der Schlaganfall. Inge Martens und Hans-Wolfram Böttcher erzählen, wie sie das Ereignis erlebten, dank reibungsloser Rettungskette und erfolgreicher Therapie im UKE überstanden – und wie es ihnen heute geht.
„Mach bitte die Tür zu, es zieht so kalt rein!“ Hans-Wolfram Böttcher hat den Zuruf seiner Frau noch genau im Ohr. Gerade war er aus der Altbauwohnung im 5. Stock in die Bodenkammer gegangen, um den Kuchen für das Kaffeetrinken zu holen, als er plötzlich zusammensackte. „Mein rechtes Bein steckte merkwürdig unter dem Körper. Ich konnte mich nicht rühren und auch nicht sprechen“, erinnert sich der 78-Jährige. Als seine Frau nach ihm schaut, ruft sie sofort den Notarzt. Die Sanitäter transportieren ihn mit Mühe durch das enge Treppenhaus. Bis zum UKE ist es nur eine kurze Strecke, mit Verdacht auf Schlaganfall wird Hans-Wolfram Böttcher in den Schockraum der Notaufnahme geschoben.
Patient mit Vorerkrankungen
„Im UKE bin ich kein Unbekannter“, erklärt er. Mit 50 hatte er dort den ersten Herzinfarkt überstanden, mit 69 den zweiten und in der Folge drei Bypässe erhalten. Außerdem leidet er seit 30 Jahren an Diabetes und spritzt Insulin. „Mit all dem habe ich bis zum 19. Dezember 2020 sehr gut gelebt.“ Vom behandelnden Arzt erfährt er tags darauf, dass man ihm einen Katheter von der Leiste bis ins Gehirn geführt und dort ein großes Blutgerinnsel mit einem Draht herausgezogen habe. Thrombektomie heißt das Verfahren.
Ehefrau Beate erinnert sich an die Zeit der Unsicherheit mit Schrecken – und voller Dankbarkeit über die „großartige Kommunikation des UKE“: „Bereits zwei Stunden nach der Einlieferung meines Mannes und auch an den Folgetagen wurde ich telefonisch über den Stand der Dinge informiert. Das hat mir sehr geholfen.“
Genesen nach Therapie und Reha
Mit einem fröhlichen „Moin“ begrüßt Hans-Wolfram Böttcher morgens die Pflegekraft. „Alle haben sich aufrichtig gefreut, dass es mir so gut ging. Und ich war froh, wieder da zu sein.“ Drei Tage verbringt er im UKE. Seine Motorik wird untersucht, keine besonderen Auffälligkeiten. Aber es gibt sprachliche Einbußen: Vergleiche, Synonyme, Gegensätze bereiten ihm Schwierigkeiten, Worte fallen ihm nicht ein. Die anschließende Reha auf dem UKE-Gelände empfindet er als sehr hilfreich. Die Sprache habe sich deutlich verbessert, die gesunde Kost ihn zehn Kilo leichter gemacht: „Seitdem mussich kein Insulin mehr spritzen.“
„Plötzlich konnte ich nicht mehr sprechen“
Auch Inge Martens aus Geesthacht hat sich vom „Schlag ins Kontor“, wie sie den dramatischen Einschnitt in ihr Leben nennt, gut erholt. „Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass ich einen Schlaganfall bekomme, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt“, sagt sie. Die 79-Jährige hat nie geraucht oder getrunken, ist zeitlebens in Bewegung gewesen, hat noch im Alter große Wanderungen unternommen und Tennis gespielt – und war nie krank. Das ändert sich schlagartig an jenem sonnigen Samstag im Sommer 2019, den sie noch genau vor Augen hat. Am Nachmittag telefoniert sie mit einer guten Freundin. „Wir haben erzählt und erzählt, aber mit einmal konnte ich nicht mehr sprechen.“ Sie stammelt nur und versteht nicht, was mit ihr vorgeht. Die Freundin reagiert geistesgegenwärtig: Sie wählt den Notruf 112 und ruft dann Inge Martens Tochter an, die gleich nebenan wohnt. „Das war mein Glück. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es hätte ausgehen können.
Großes Blutgerinnsel im Gehirn
Als die Rettungssanitäter sie bitten, den rechten Arm zu heben, tut sich nichts. Beim rechten Bein ist es genauso. An die Fahrt ins Krankenhaus in Geesthacht erinnert sie sich noch. Was dann folgt, weiß sie von ihrer Tochter: Es sehe nicht gut aus, sagt die Notärztin. Die Mutter habe ein großes Blutgerinnsel im Gehirn, das man vor Ort nicht behandeln könne, sie werde daher ins UKE verlegt. Dort wird der gefährliche Verschluss wie bei Hans-Wolfram Böttcher mit Hilfe eines Katheters entfernt. Am nächsten Morgen, als die Pflegekräfte ins Zimmer kommen, hebt sie beide Arme und winkt. „Ich konnte auch sofort sprechen. Das war für mich das kleine Wunder.“
Inge Martens sitzt mit baumelnden Beinen auf der Bettkante, als sich am Vormittag die Tür des Krankenzimmers einen Spaltbreit öffnet. Sie sieht die Köpfe ihrer Töchter und ruft: „Na, dann kommt mal rein!“ Die Jüngere muss sich erst mal setzen: „Mama, das kann nicht wahr sein.“ Beide hatten das Schlimmste befürchtet. Was, wenn die sonst so aktive Mutter nichts mehr selbstständig tun kann? Eine Katastrophe! Doch stattdessen: Welch ein Glück!
Als Inge Martens entlassen wird, hat sie keine Einschränkungen, eine Reha ist nicht erforderlich. Ihr gehe es gut, berichtet sie, „mal abgesehen von altersbedingten Wehwehchen.“ Sie unternimmt täglich lange Spaziergänge und freut sich auf Theater und Konzerte. „Bis heute habe ich nicht richtig begriffen, dass ich einen Schlaganfall hatte“, sagt sie. Offenbar hatte sie schon seit längerem einen erhöhten Blutdruck und Vorhofflimmern, doch bei den regelmäßigen Vorsorge-Checks war das kein Thema. Seit dem Schlaganfall nimmt sie Medikamente, zum ersten Mal im Leben. „Glücklich bin ich darüber nicht.“ Als großes Glück empfindet sie indes, „dass die Rettungskette bestens funktionierte und meine Therapie im UKE so erfolgreich war“.
Auch Hans-Wolfram Böttcher geht es wieder gut
Hans-Wolfram Böttcher spürt ein halbes Jahr nach dem Schlaganfall kaum Einschränkungen, lediglich die rechte Hand zittert leicht. Schreiben fällt ihm schwer, Tischlern hat er aufgegeben; er konzentriert sich auf sein zweites Steckenpferd, die Reparatur von Großuhren. „Mir fehlt nichts“, sagt er.